Zusatzaufgaben bei gleichbleibendem Personalbestand: GEW Berlin kritisiert Pandemiemanagement des Senats für Kindergärten und fordert einen runden Tisch

Von Susanne Knütter

 Quelle: Berliner Anstoss 01/2022

Seit dem 7. Februar sollen Kinder und Beschäftigte in Kitas nicht mehr in Quarantäne geschickt werden, wenn sie Kontaktperson einer mit dem Coronavirus infizierten Person waren. Es reicht, wenn sie an fünf aufeinander folgenden Tagen negative Tests vorweisen können. Das ganze nennt sich »Test-To-Stay-Strategie« – und lässt die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) protestieren. Die Beschäftigten seien mit dem neuen Verfahren abermals überrumpelt worden und fühlten sich im Stich gelassen, heißt es in der letzten Presseerklärung, die die Gewerkschaft am 3. Februar zu dem Thema herausgegeben hat. Ob die Kinder in die Kita gehen oder nicht, könnten die Eltern abwägen – »die Erzieher und Erzieherinnen hingegen nicht. Sie müssen weiterarbeiten«.


Das bedeutet einen großen Aufwand für die Kontrolle der zu Hause durchgeführten Tests, die auch bei Kindern, die keinen Kontakt zu Infizierten hatten, dreimal wöchentlich vorgenommen werden müssen. Weil Eltern den Kindergarten nicht mehr betreten dürfen, um z. B. ihren Nachwuchs umzuziehen, kommt für die Erzieher und Erzieherinnen eine weitere Aufgabe hinzu. Das ist nicht nur eine Mehrbelastung, sondern raubt auch Zeit für die pädagogische Betreuung der Kinder. Dabei sei die Wirkung dieser Maßnahme »ohnehin gering«, heißt es in der GEW-Erklärung. Denn über die Kinder hat das Personal auch indirekt Kontakt zu den Familien.
Auch die Verteilung der vom Senat bereitgestellten Coronatests müssen die Kindertagesstätten selbst erledigen. Die Pandemiebewältigung des Senats verursacht im Wesentlichen ständig weitere Aufgaben und zusätzliche Bürokratie. Deshalb hatte die Gewerkschaft bereits zuvor Alarm geschlagen und vor einem »Kollaps des Systems« gewarnt. Die Beschäftigten seien am Ende ihrer Kräfte. Die Gewerkschaft stellt nun fest: Entweder der Gesundheitsschutz der Kolleginnen und Kollegen sowie der Familien stehe im Vordergrund »oder es wird in Kauf genommen, dass sich früher oder später alle Menschen mit dem Coronavirus infizieren werden«. Zunächst einmal sollte mit der neuen Regelung die Gefahr von Kitaschließungen aufgrund von zu vielen Quarantänefällen reduziert werden. Zugleich kann das Vorgehen aber als Eingeständnis gewertet werden, dass sich mit der Omikronvariante des Virus das Blatt gewendet hat. Der internationale Vergleich und die Situation in den Krankenhäusern hierzulande bestätigen, dass Omikron zwar ansteckender ist, aber vergleichsweise milder verläuft. Und inzwischen sind die Infektionszahlen in Berlin bereits wieder rückläufig.
Stünde allerdings der Gesundheitsschutz wirklich an erster Stelle, würden wohl gesamtgesellschaftlich auch noch andere Maßnahmen ergriffen werden. Nach zwei Jahren Pandemie gibt es genügend Erkenntnisse über die Auswirkungen von Lockdowns. Kinderärzte warnten bereits im Spätsommer letzten Jahres vor psychischen Störungen, Adipositas und Spielsucht von Kindern und Jugendlichen. Die Schäden durch Kitaund Schulschließungen seien dramatischer als die Folgen der Infektion selbst.
Was nun die GEW Berlin zur Besserung der Situation fordert, ist nicht einmal viel und blieb dennoch bislang ungehört. Sie verlangt einen runden Tisch mit allen Beteiligten, die Anmietung zusätzlicher Räume für kleine Kitas durch die Bezirke, Entlastung bei den Zusatzaufgaben wie dem Abfragen von Testergebnissen oder dem Verteilen der Hilfsmittel. Sie sieht die »Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie und die Senatsverwaltung für Gesundheit in der Pflicht, unter Berücksichtigung aller möglichen gesundheitlichen Folgen und dem Anspruch, ein pädagogisch wertvolles Kitaangebot zu realisieren, klare Strukturen zu schaffen, Bürokratie zu reduzieren und Regelungen zu finden, die nicht allein zu Lasten der Erzieherinnen und Erzieher gehen«. Dazu braucht es insbesondere mehr Personal. Zudem müssten die Löhne steigen, um zusätzliche Fachkräfte zu gewinnen. All das wäre von großem Nutzen.
Sogar die Wirtschaft könnte sich freuen. Wenngleich ihr die Arbeitsbedingungen in Kindergärten reichlich egal sind, beklagt sie doch seit Jahren den Mangel an Kitaplätzen. Da also weder Staat noch Wirtschaft bereit sein werden, in diesem Segment mehr Geld in die Hand zu nehmen, wird weiter alles so bleiben, wie es ist – zuzüglich der Zusatzaufgaben. Jedenfalls so lange, wie sich die GEW auf einen runden Tisch verlässt.