Auf der Roten Insel in Schöneberg wird ein Kiezgarten erkämpft
Von Julia Heinz, Quelle: Berliner Anstoss 01/2022
Ganz Berlin ist den Investoren versprochen. Ganz Berlin? Nein! Einige unbeugsame Berliner hören nicht auf, den Invasoren Widerstand zu leisten. Aber zugegeben: Wer heute noch Spuren widerständiger Kultur in seinem Kiez finden will, wird lange suchen müssen. Unter dem rot-rot-grünen Berliner Senat erleben wir in den letzten Jahren eine beispiellose Welle an Räumungen linker Projekte der Stadt: die Kiezkneipe Syndikat, das Kneipenkollektiv Meuterei, das Wohnprojekt Liebig 34, vor kurzem der Wagenplatz Köpi – sie alle gehören der Vergangenheit an, mussten weichen, weil die Politik dieser Stadt im Zweifel ihre Polizei zum Schutze der Profitinteressen von der Leine lässt, oder werden von dieser Politik hingehalten wie etwa das Jugendzentrum »Drugstore« in Schöneberg, das wohl noch lange auf die alternativen Räume warten muss, die ihm vom Bezirk versprochen wurden, nachdem die bisherigen geräumt werden mussten.
Dort aber, in Schöneberg, regt sich noch etwas. Auf einem kleinen Flecken der Roten Insel sollen bald schon kultivierte Pflanzen blühen und gedeihen, wo lange öde Brache war. Am Eingang des Eckgrundstücks an der Crellestraße 23a grüßt ein Banner: »Willkommen im Kiezgarten Saures Gürkchen«. Irgendwer hat auf einen Aushang daneben gekritzelt: »Ich bin auch sauer«. Das dürfte wohl als grimmige Zustimmung zu werten sein. Früher soll hier mal ein Imbiss seinen Platz gehabt haben, doch das ist lange her. Jetzt also ein Kiezgarten nach der Tristesse. Aber wie ist überhaupt die Idee entstanden, hier einen autonomen, gemeinschaftlichen Ort zu stifen? André, Student und einer der Initiatoren sagt: »Meine Freunde und ch leben in der Nähe, gingen öfter hier vorbei und bemerkten, dass das Grundstück brachlag und ständig vermüllt war. Das sah halt nicht so super aus«. Inspiriert von anderen linksautonomen Projekten räumten sie auf, besorgten Möbel, bauten Hochbeete, schufen eine Ecke zur Kleiderspende und ein Regal für eine kleine Bibliothek – »(be)setzten das Gelände in Stand« wie er es nennt. Das sei gut angekommen in der Nachbarschaft, die Reaktionen seien durchweg positiv ausgefallen. »Schön, dass aus diesem Fleckchen noch was gemacht wird!«, haben sie oft gehört. Und so sollen hier im Frühjahr wieder Menschen zusammen gärtnern, miteinander ins Gespräch kommen oder auch Workshops besuchen. Von Anfang an war das Bedürfnis nach einem kollektiv genutzten Ort unter freiem Himmel auf der Roten Insel gepaart mit der politischen Absicht, nichtkommerzielle Freiräume im Bezirk zu schaffen.
Dass sie sich dabei nicht auf die Politik des Senats oder des Staates verlassen wollen, ist für André klar – selber machen, lautet die gute alte Devise. Perspektivisch werden sie jedoch auf den Bezirk, dem das Grundstück gehört, angewiesen sein. Das Projekt soll legalisiert, vielleicht sogar in Vereinseigentum überführt werden. »Dann können wir uns viel mehr austoben, ohne Angst zu haben, dass am nächsten Tag wieder alles plattgemacht wird«. Dass das »Saure Gürkchen« der generellen Berliner Stadtentwicklung nicht viel entgegenzusetzen hat, ist ihnen dabei bewusst. »Aber wenn man so etwas öfter macht, dann kann daraus ja eine Art von Community werden, die auch Größeres bewegen kann«. Die sterile Stadt der InvestorenInvasoren, das ist die insgeheime Botschaft solcher kleinen Projekte wie dieses auf der Roten Insel, aber auch andernorts in Berlin, die wird es nicht geben. Nie.