Frieden als oberstes Gebot.
Das Kriegsgeschrei gegen Russland wird immer größer, eine sachliche Diskussion immer schwieriger.
Ein Gespräch mit Jutta Kausch-Henken von der Friedenskoordination Berlin
Quelle: Berliner Anstoss 01/2022
Seit Wochen behaupten hiesige Medien eine bevorstehende Invasion Russlands in die Ukraine. Was sagt die Friedenskoordination Berlin dazu?
Wir sind darüber sehr beunruhigt. Die Meldungen überschlagen sich, die Einschätzungen auch. Was stimmt? Wer lügt? Wer ist glaubwürdig? Die US-Geheimdienste, die den Angriff Russlands in wenigen Tagen vorhersagen? Die Äußerungen des ukrainischen Präsidenten Wladimir Selenski, der keine neue Bedrohungslage sieht? Der Kiewer Bürgermeister Klitschko, der Bürger der Hauptstadt mit Holzgewehren in den angrenzenden Wäldern die Verteidigung üben lässt? Russland, das dementiert einen Angriff zu planen? Ja, die Situation ist gefährlich. Und der einzige Ausweg daraus ist, abzurüsten, verbal und militärisch. Was hat Russland davon, die Ukraine anzugreifen? Russland kann kein Interesse daran haben, das Land in einen Krieg zu verwickeln, da das unweigerlich einen Bürgerkrieg zur Folge hätte, einen Partisanenkrieg womöglich, den es nicht gewinnen könnte. Das Land wäre total zerstört, die Bevölkerung, die sowieso schon zu den Ärmsten gehört, würde zu großen Teilen fliehen. Instabilität wäre die Folge. Ein endgültiges Aus für einen Dialog mit USA, NATO und EU, Sanktionen.
Es ist doch sehr merkwürdig, dass das Kriegsgeschrei in dem Moment so richtig losging, als Russland im Dezember 2021 einen Vertragsentwurf vorlegte, der Punkte beinhaltet, die zu einer beiderseitigen Sicherheit führen könnten. Russland schlägt darin vor, keine landgestützten atomwaffenfähigen Kurz- und Mittelstreckenraketen außerhalb des eigenen Staatsgebiets zu stationieren sowie in Gebieten, von denen aus diese Waffen Ziele im Staatsgebiet der jeweils anderen Seite angreifen können. Zudem, keine Atomwaffen außerhalb des eigenen Landes zu stationieren, keine NATO-Militärmanöver nahe der russischen Grenze abzuhalten sowie keine russischen Militärmanöver nahe der Grenze zu NATO-Staaten. Und zuletzt, keine Annäherung schwerer Bomber und Kriegsschiffe an die Grenze der jeweils anderen Seite zuzulassen.
Russland verlangt, dass die NATO-Osterweiterung aufhört, also auch die Ukraine nicht in die NATO aufgenommen wird und sich beide Seiten auf eine Sicherheitszone verständigen.
Das ist doch ein Vorschlag, der eine reale Chance für Entspannung und Dialog bietet. Doch über dieses bahnbrechende Angebot wird in den hiesigen Medien nicht berichtet.
Was sind deren Motive? Warum gibt es kaum Gegenstimmen?
Schwer zu sagen. Da gibt es vielerlei Interessen. Gegenstimmen werden sofort als »Putinversteher« diffamiert. Damit sieht sich sogar so eine seriöse und anerkannte Journalistin wie Gabriele Krone-Schmalz konfrontiert.
Wie steht es um deutsche Kapitalinteressen?
Der Ost-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft, ein Außenwirtschaftsverband, in dem deutsche Multis wie BASF, Siemens oder Metro den Ton angeben und die in Russland mit Geschäften gut verdient haben und das auf Dauer weiter tun wollen, meldet unmissverständlich, dass er an einer Eskalation des Konflikts und an einem Krieg kein Interesse hat.
Die Eskalation hat das Potential für einen Weltkrieg. Warum scheint die ukrainische Bevölkerung so bereitwillig eine NATO-Aggression zu akzeptieren? Stimmt das überhaupt?
Die Frage kann ich nicht beantworten. Es gibt sehr viele widersprüchliche Informationen aus der Ukraine. Ich kann mir aber nicht vorstellen, dass die Bevölkerung eine Aggression der NATO so prima fände. Der Wunsch nach stabilen, friedlichen Verhältnissen und nach Wohlstand dürfte vordringlich sein. Fatal ist die Annahme, dies durch eine Annäherung an den Westen zu erreichen.
Am 18.2.22 mobilisierte die Friko zur Kundgebung »Sicherheit für Russland ist Sicherheit für unser Land«. Das Bündnis ruft auch zum diesjährigen Ostermarsch auf. Gibt es dazu schon Details?
Ja, wir werden am Ostresamstag, dem 16. April, um 12.00 Uhr unseren Ostermarsch am Oranienplatz in Kreuzberg starten. Er wird unter dem Motto stehen: »Für Frieden in Europa – Für Frieden mit Russland.« Dialog und Vernunft sind der richtige Weg. So kann Vertrauen wachsen und Sicherheit und Frieden in Europa unteilbar werden. Für Entspannung statt Konfrontation!