Beschäftigte monieren schleppende Umsetzung der Tarifverträge für mehr Personal an den Kliniken von Charité und Vivantes

Quelle: Berliner Anstoss 02/2022

 Eigentlich sei es Notwehr gewesen, »dass wir die Tarifverträge für mehr Personal durchsetzen mussten«, erklärte Mareen Höwler, Intensivpflegekraft der Charité, laut einer Mitteilung der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi vom 13. April. Jetzt müssten die Vereinbarungen auch mit Leben gefüllt werden. Doch genau das scheint bisher nicht in dem Maße zu erfolgen, wie es die Beschäftigten erwartet haben. Vor allem Vivantes lasse sich Zeit. »Ich habe gerade nicht das Gefühl«, dass das Management »hier alles tut, um zügig zu einer Umsetzung der verhandelten Regelungen zu kommen«, sagte Anja Voigt, Intensivpflegekraft, laut der gleichen Mitteilung. »Nur auf Plakaten zu werben, wird nicht reichen, um Personal zu gewinnen und zu halten.«


Im vergangenen Jahr hatten die Beschäftigten der Berliner Kliniken Charité und Vivantes mehr als vier Wochen lang für eine Entlastung des Personals gestreikt. Seit dem 1. Januar sind Tarifverträge in Kraft, die unter anderem die Personalbesetzung in den verschiedenen Krankenhausbereichen festlegen.
Am Ende dürfte es wieder am Geld liegen. Verdi sieht den Berliner Senat in der Verantwortung. Im vergangenen Jahr hätten sich weite Teile der Landesregierung hinter die Forderungen der Beschäftigten in den landeseigenen Krankenhäusern gestellt. Die neue Landesregierung habe die Finanzierung der Tarifverträge zugesichert. »Wir erwarten jetzt zeitnah eine Reaktion von Seiten der Koalition«, erklärte Jana Seppelt, Verdi-Landesfachbereichsleiterin für den Bereich Gesundheit, Soziales, Wissenschaft und Bildung am 13. April. Es müsse »schließlich auch im Interesse der Berliner Regierung sein, dass die Tarifverträge gut umgesetzt werden, um damit die Personalnot an den Berliner Kliniken zu reduzieren«.
Der Berliner Senat hat nach eigener Auffassung seine Schuldigkeit getan. Die Investitionsmittel für die Berliner Krankenhäuser wurden erhöht. Mit 148 Millionen Euro in diesem Jahr und weiteren 154 Millionen Euro im kommenden Jahr würden sich die Mittel binnen drei Jahren verdoppeln. Vor der Pandemie, im Jahr 2019, standen dem Land Berlin für die Investitionsmittel 80 Millionen Euro zur Verfügung. Ein Drittel der erhöhten Haushaltsmittel gehen nach Angaben der Senatsverwaltung für Finanzen an den Klinikkonzern Vivantes.
Weil die Bundesländer ihrer Verpflichtung, den Krankenhäusern Investitionsmittel zur Verfügung zu stellen, seit Jahren nur ungenügend nachkommen, sehen sich die Kliniken bisweilen genötigt, sich für die Finanzierung von Investitionen bei anderen Haushaltstöpfen zu bedienen – nicht selten zulasten des Personals. Aus Sicht des Senats müsste sich durch die Erhöhungen der Finanzmittel die Gewichtung im Kalkül der Kliniken ändern. Die Berliner Krankenhausgesellschaft widerspricht. Nach ihren Angaben deckten die Investitionsmittel für dieses und nächstes Jahr nicht einmal die Hälfte des tatsächlichen Bedarfs von jährlich etwa 350 Millionen Euro.
Was Vivantes betrifft, beabsichtigt die Berliner Regierung, den öffentlichen Krankenhausträger mit Eigenkapitalzuführungen zu stärken. Für Vivantes sind im Haushaltsentwurf für dieses Jahr 128,3 Millionen Euro vorgesehen, für das nächste Jahr 131,7 Millionen Euro. Mit diesem Polster hätte das Unternehmen zum Beispiel die Möglichkeit, neue Kredite aufzunehmen. Tarifverträge zu finanzieren, sei allerdings aus rechtlichen Gründen nicht möglich. Das Gesetz sieht vor, dass die Krankenhausträger ihre laufenden Kosten selbst erwirtschaften. Auch die für das Personal. (sk)