Von Carl Waßmuth, Gemeingut in BürgerInnenhand

In Berlin ist seit zweieinhalb Jahren im Schulbau eine Privatisierung im Gange. Als Modell wurde eine Öffentlich-Private Partnerschaft (ÖPP) gewählt. Die rot-rot-grüne Regierungskoalition verwendet lieber den beschönigenden Begriff „ ÖÖP“ (Öffentlich-Öffentliche Partnerschaft). Mit der Wohnungsbaugesellschaft Howoge wäre demnach die zentrale Akteurin in Landeseigentum, also öffentlich. Nach dieser Logik wäre eine Privatisierung keine Privatisierung, wenn sie eine staatliche GmbH vornimmt – das war für viele Menschen in Berlin wenig überzeugend. Das Netzwerk „Gemeingut in BürgerInnenhand“ (GiB) initiierte eine Volksinitiative, die schnell breite Unterstützung erfuhr.

In einer öffentlichen Anhörung im Berliner Abgeordnetenhaus konnte aufgedeckt werden, dass alle typischen Elemente von ÖPP vorhanden sind: Verträge mit 37 Jahren Laufzeit, Geheimhaltung, teure Bankkredite für 90 Prozent der Investitionen, die Umwandlung von Schulen in handelbare Finanzprodukte. Die Unterzeichnung des Rahmenvertrags für die geplante Privatisierung konnte mit der Volksinitiative nicht verhindert werden, die Unterschrift wurde mit Hilfe der öffentlichen Debatte jedoch um mehr als ein Jahr verzögert. Nun kommt der Senat insgesamt in Zeitdruck. Um die Privatisierung rechtswirksam zu machen, müssen noch 33 einzelne Privatisierungsverträge abgeschlossen werden.

In dieser Situation kommt es der Landesregierung ungelegen, dass sich weiter Protest regt. Das Festhalten an der Privatisierung blockiert andere Maßnahmen. Zum Schuljahresbeginn wurden Kellerräume und Nebengelasse zu Klassenzimmern umgewidmet – zum Verdruss insbesondere der Eltern. In dieser Situation verfiel der Senat auf einen „Haltet-den-Dieb“-Mediencoup: Es wurde aus Kreisen der mitregierenden Grünen die Nachricht lanciert, die Schülerzahlen würden drastisch ansteigen. Die lokalen Tageszeitungen und auch der regionale Fernsehsender RBB stiegen blind auf diese Nachricht ein. Tatsächlich stimmen die der Nachricht zugrunde liegenden Zahlen nicht, dazu unten mehr.

Der Trick mit zu hoch angesetzten SchülerInnenzahlen hatte schon einmal funktioniert. Der Senat hatte 2016 die zu erwartenden SchülerInnenzahlen 40 Prozent höher angesetzt als, als sich aus der Bevölkerungsprognose ergab. Auf dieser falschen Basis wurden 2,8 Mrd. Euro für Schulneubau festgelegt, von denen der größere Anteil über das ÖPP-Modell abgewickelt werden sollte. 2018 wurden SchülerInnenzahlen klammheimlich nach unten korrigiert. Die anvisierten 2,8 Mrd. Euro für Neubau wurden aber nicht im entsprechenden Verhältnis auf 1,8 Mrd. Euro gekürzt.

Angesichts wachsender Elternproteste wird versucht, noch einmal mit den SchülerInnenzahlen abzulenken. Ohne Angaben von Quellen wurde das jährliche Wachstum fast verdoppelt. SchülerInnenzahlen für die nächsten fünf Jahre hinreichend genau zu prognostizieren ist übrigens kein Hexenwerk. GiB hat anhand der Daten des statistischen Landesamts Berlins nachgerechnet und kommt zu dem Ergebnis, dass sowohl die erste Prognose von 2016 als auch die neue Prognose von 2019 wesentlich zu hoch sind. Tatsächlich kommen in Berlin derzeit pro Jahr 1,4 Prozent mehr Kinder neu zur Schule als abgehen. Das ist ein moderater Anstieg, wie er etwa auch in den Bundesländern Hamburg, Sachsen-Anhalt, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen vorliegt. Von da hat man noch keine Panikmeldungen gehört.

Sind alle Verträge unterschrieben, haben die Howoge und ihre Subunternehmer einen einklagbaren Rechtsanspruch. Da passt es, dass der Senat gerade einen Vonovia-Manager zum Geschäftsführer der HOWOGE ernannt hat. Die Vonovia ist einer der größten Privatisierungsgewinnler in Deutschland. Da kennt man sich bestens damit aus, wie man aus Steuergeldern und öffentlichem Eigentum private Gewinne macht.